Präambel
In der Erkenntnis,
- dass Dolmetscher:innen bei der Erfüllung ihrer Aufgabe – die bedeutet, zwischen Sprach- und Kulturgruppen als Sprachmittler:innen zu wirken – im allgemeinen auf sich gestellt und alleinverantwortlich tätig sind,
- dass Dolmetscher:innen nicht nur über einwandfreie Sprachkenntnisse, sondern auch mit den soziokulturellen Besonderheiten der Gehörlosengemeinschaft vertraut sind, ein berufsspezifisches Wissen und eine gut fundierte Allgemeinbildung besitzen und stets bemüht sind, mit den neuesten Gegebenheiten Schritt zu halten,
- dass die Funktion der Dolmetscher:innen nur von Professionist:innen zuverlässig ausgeübt werden kann,
und im Bestreben,
- als Mitglied des Österreichischen Verbandes der Dolmetscher:innen und Übersetzer:innen für ÖGS und Deutsch hohen beruflichen Anforderungen zu genügen und durch Qualifikation und Leistung das Ansehen des Berufsstandes zu festigen und zu heben,
wurde vonseiten des Österreichischen Verbandes der Dolmetscher:innen und Übersetzer:innen für ÖGS und Deutsch folgende Berufs- und Ehrenordnung verabschiedet, die integrierender Bestandteil der Statuten des Verbandes ist und die Pflichten der Mitglieder des Verbandes festlegt.
Artikel
Artikel 1
Dolmetscher:innen haben ihren Beruf nach bestem Wissen und Gewissen auszuüben.
Artikel 2
Dolmetscher:innen dürfen sich nur in solchen Fachgebieten betätigen, in denen sie über einwandfreie Kenntnisse verfügen, um die übertragenen Aufgaben gewissenhaft ausführen zu können. Sie dürfen ihre Tätigkeit nur in jenen Kommunikationsformen (ÖGS, LBG, Lorm etc.) anbieten, in denen sie über einwandfreie aktive und passive Kompetenzen verfügen.
Sie sind verpflichtet, etwa bestehende Wissenslücken durch Recherchen zu beseitigen. Diese Recherchen sind integraler Teil eines jeden Auftrages und dürfen nicht gesondert verrechnet werden.
Wenn sich ein Dolmetscher bzw. eine Dolmetscherin für einen Auftrag als unzureichend befähigt betrachtet, hat diese Person dies dem Auftraggeber bzw. der Auftraggeberin unverzüglich mitzuteilen. Sie versagen sich die Annahme eines Auftrages, den sie nicht professionell und nach bestem Wissen und Gewissen ausführen können. Sie übernehmen einen Auftrag nur unter der Voraussetzung, dass die zu leistende Arbeit sowie die Arbeitsbedingungen mündlich oder schriftlich genau festgelegt werden.
Artikel 3
a) Dolmetscher:innen steht es frei, einen Auftrag anzunehmen oder abzulehnen.
b) Dolmetscher:innen halten sich an vereinbarte Termine. Falls ihnen dies aus zwingenden Gründen unmöglich sein sollte, haben sie die beteiligten Personen rechtzeitig zu informieren, sodass diese einen Ersatz finden können. Des weiteren erscheinen Dolmetscher:innen pünktlich, d.h. eine gewisse Zeit vor dem konkreten Einsatz, um alles Nötige vor Ort abklären zu können.
c) Dolmetscher:innen haben ein gepflegtes Äußeres. Sie wählen die Kleidung den Aufträgen entsprechend und berücksichtigen, dass diese beim Ablesen für die gehörlose Person nicht ablenkend oder irritierend wirkt.
Artikel 4
Die Mitglieder des Verbandes fühlen sich der Qualität ihrer Arbeit verpflichtet. Sie verpflichten sich für den Erhalt ihrer beruflichen Qualifikationen Sorge zu tragen. Sie halten mit den neuesten Gegebenheiten Schritt und sehen die Weiterbildung in unterschiedlichsten Bereichen als Teil ihres Berufsbildes.
Artikel 5
Dolmetscher:innen sind gewissenhaft, unvoreingenommen und unparteiisch.
1 Gewissenhaft bedeutet, dass sowohl der Inhalt als auch der Zweck der Botschaft in jedem Fall vollständig, adäquat und der Situation entsprechend wiedergegeben werden muss.
2 Unvoreingenommen bedeutet, dass Dolmetscher:innen nur jene Aufträge übernehmen, bei denen sie
2.1 die Inhalte unvoreingenommen und wertfrei dolmetschen können;
2.2 den involvierten Personen unvoreingenommen und wertfrei begegnen können.
3 Unparteiisch bedeutet, dass Dolmetscher:innen wissen, dass sie sich gegenüber allen drei anwesenden Parteien loyal zu verhalten haben. Gegenüber:
3.1 der gehörlosen Partei,
3.2 der hörenden Partei,
3.3 dem Berufstand der Gebärdensprachdolmetscher:innen.
Artikel 6
a) Dolmetscher:innen sind zur Verschwiegenheit verpflichtet.
b) Die berufsethische Verpflichtung zur Verschwiegenheit erstreckt sich auf alles, was Dolmetscher:innen im Rahmen ihrer Tätigkeit zur Kenntnis gelangt, soweit nicht Gesetz oder Grundsätze der Rechtssprechung Ausnahmen erzwingen.
Diese Verpflichtung besteht auch über die Beendigung des Auftragsverhältnisses hinaus und auch gegenüber Personen, denen die betreffende Tatsache bereits von anderer Seite mitgeteilt worden ist.
Artikel 7
Dolmetscher:innen üben ihre Tätigkeit bewusst kultursensitiv aus. Sie besitzen ausgezeichnete Kenntnisse über die Gehörlosenkultur und handeln nach den Prinzipien von Achtung und Respekt.
Artikel 8
Die Berufsethik verpflichtet zur Kollegialität und Solidarität. Sie verbietet Dolmetscher:innen das Ansehen des Berufsstandes durch ihr Verhalten zu beeinträchtigen. Unsachliche Angriffe gegen Kolleg:innen verstoßen gegen die berufliche Ethik. Dolmetscher:innen wahren in der Beurteilung der Leistung von Kolleg:innen taktvolle Zurückhaltung vor anderen. Fachliche Kritik zwischen Kolleg:innen ist einerseits ohne Schärfe vorzubringen und andererseits auch gelassen aufzunehmen.
Im Team verhalten sich Dolmetscher:innen kollegial, sie motivieren und unterstützen ihre Teamkolleg:innen.
Artikel 9
Dolmetscher:innen verpflichten sich zur transparenten Rechnungslegung. Sie stellen angemessene Honorare in Rechnung.
Artikel 10
a) Dolmetscher:innen werben durch die Qualität ihrer beruflichen Leistung.
b) Dolmetscher:innen enthalten sich jeden unlauteren Wettbewerbs und jeder aufdringlichen Werbung.
Unzulässig sind insbesondere:
- planmäßiges, zielgerichtetes Unterschreiten bzw. Überschreiten marktüblicher Preise in der Absicht, Mitbewerber:innen zu verdrängen oder zu schädigen;
- die Irreführung von Kund:innen durch die Abgabe unvollständiger oder unkorrekter Angebote;
- die Kritik an Kolleg:innen gegenüber Dritten, um die eigenen Leistungen hervorzuheben;
- reklamehafte Herausstellung der eigenen Person oder Leistung;
- sowie jede andere standeswidrige (d.h. strafbare, unwahre, irreführende, unsachliche, markt-schreierische, herabsetzende oder sonst gegen die guten Sitten verstoßende) Werbung durch den Dolmetscher bzw. die Dolmetscherin selbst oder durch Dritte.
Artikel 11
Über die Wahrung der vorstehenden Grundsätze wacht der Vorstand, der von Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern angerufen werden kann. Der Vorstand hat das Recht und in schwerwiegenden Fällen die Pflicht, Mitglieder, die gegen diese Grundsätze verstoßen, mit entsprechenden Sanktionen (z.B. Ausschluss aus dem ÖGSDV) zu belegen.